
«Die Natwärisch-Pfeife ist mein halbes Leben»
Vor 26 Jahren hat sich Manfred an einer Drehbank zum ersten Mal an einer Natwärisch-Pfeife versucht. Mittlerweile ist er im Oberwallis zu einem namhaften Instrumentenbauer geworden. Die filigrane Holzflöte rührt ihn manchmal zu Tränen.

Das Notenlesen war schuld. Schuld daran, dass ein kleiner Junge namens Manfred Bohnet die Klarinette gegen die Natwärisch-Pfeife eingetauscht hat. «Ich konnte damals keine Noten lesen. Und ehrlich gesagt, hat es mich auch nicht sonderlich interessiert.» Für die Natwärisch-Pfeife, die berühmte und elegante Oberwalliser Querflöte aus Holz, gab es zu dieser Zeit noch keine Partituren. «Das kam mir entgegen.» Das ist mittlerweile 40 Jahre her. Und Manfred Bohnet ist dem Instrument bis heute treu geblieben, er ist Mitglied des TPV Echo vom Kastell, Zeneggen. Und konnte diverse Erfolge feiern: dem Elite-Schweizermeistertitel folgten mehrere Schweizermeister- und Oberwallisertitel im Gruppenwettspiel sowie 2009 der Kategoriensieg bei den Veteranen.
Die Natwärisch-Pfeife hat es ihm jedoch nicht nur als Musikant angetan. Manfred Bohnet ist heute einer der wenigen Spezialisten für die Produktion der speziellen Holz-Querflöte mit ihren sechs Grifflöchern und einem Blasloch. 1993 hatte er in der Werkstatt seines damaligen Arbeitgebers eine Drehbank entdeckt. «Ich wollte mal ausprobieren, ob ich eine Holzflöte zustande bringe.» Bohnets Ehrgeiz und Neugier war angestachelt. Bald schon tüftelte er in seiner eigenen Werkstatt weiter. «Es ist für mich heute noch faszinierend, einem einfachen Stück Holz so harmonische Klänge entlocken zu können.» Apropos Holz: Zwar hat Bohnet auch schon einen ganzen Kirsch-Baumstamm selber zu Natwärisch-Pfeifen verarbeitet. «Das war aber eine Ausnahme, da der Aufwand sehr gross ist.» Üblicherweise bestellt er das Material bei Lieferanten, die sich auf Instrumentenholz spezialisiert haben. Die gängigsten Holzarten für Natwärisch-Pfeifen sind Bergahorn, Birnen-, Kirsch- und Zwetschgenbaum. Ebenfalls sehr geeignet sind einige exotische Hölzer wie Königsholz, Rosenholz, Ebenholz und Olivenbaum.
20 bis 30 Pfeifen pro Jahr
In den letzten 26 Jahren hat Bohnet mehrere hundert Natwärisch-Pfeifen hergestellt. Der Absatzmarkt ist fast ausschliesslich aufs Oberwallis beschränkt. Das eine oder andere Liebhaberstück hat er aber auch schon ins Ausland geliefert. Da Bohnet hauptberuflich und Vollzeit bei der Swisscom in Ostermundigen als Sicherheitsingenieur tätig ist, betreibt er Instrumentenbau lediglich als zeitintensives Hobby. Pro Jahr beschränkt er sich deshalb darauf, im Schnitt lediglich einen Verein mit 20 bis 30 Instrumenten auszurüsten. Pro Flöte investiert er dabei rund sechs Stunden. Bei einem Stückpreis von 300 bis 450 Franken «werde ich sicher nicht reich», macht Bohnet klar. «Die Herstellung dieses Instruments macht mir einfach viel Freude. Die Natwärisch-Pfeife ist eben mein halbes Leben.»
Apropos Freude: Mehr als einmal sei es schon vorgekommen, dass er die eine oder andere Freudenträne vergossen habe, als ihm an einem Fest ein Verein entgegenkam, der auf seinen neuen Instrumenten spielte. «Das ist dann der Lohn für all die Stunden in der Werkstatt.»
Am Schluss bleibt noch eines klarzustellen: Der einstige Grund, weshalb er einst bei der Natwärisch-Pfeife gelandet ist, existiert so nicht mehr. Manfred Bohnet kann inzwischen längst Noten lesen – und ist gelegentlich sogar als Komponist tätig.
Philippe Müller
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